Ein Moralischer Ereignishorizont ist der Punkt ohne Rückkehr. Wenn ein Charakter ihn aus freiem Willen überquert, hört er auf, cool oder bewundernswert zu sein. Es ist die Tat, welche — wenn vielleicht auch objektiv gesehen nicht schlimmer als alles andere, was der Schurke bis dahin getan hat — die Zuschauer und die Geschichte nachhaltig beeinflusst. Ob der Charakter tatsächlich hoffnungslos böse ist, kann möglicherweise nicht beantwortet werden (oder nur durch die Person, der er geschadet hat, oder durch eine höhere Macht) — aber das ist bedeutungslos. Die Zuschauer wollen keine Erlösung mehr für diesen Charakter.
Eine Million Ist Statistik ist oft im Spiel: Es ist psychologisch unmöglich, bei einer Tat, die lediglich berichtet wird, ähnlich betroffen zu sein wie bei einer, die man selbst miterlebt hat und von der Charaktere betroffen sind, zu denen der Zuschauer eine Bindung aufgebaut hat. Der Schock nach einem Ereignis kommt zudem erst dann wirklich zum Tragen, wenn man das Motiv oder die Einstellung dazu kennt. Ein General, der Artilleriefeuer auf seine eigenen Truppen befiehlt, mag einen triftigen Grund dafür haben, so hässlich dieser auch sein mag. Erst wenn wir ihn dabei lachen sehen hat er definitiv den moralischen Ereignishorizont überquert.
Ein Edler Teufel, der den Horizont überquert, hört auf, edel zu sein. Draco verliert seine Lederhosen für die meisten (aber niemals alle) im Fandom. Ein Knight Templar, Well-Intentioned Extremist oder jede andere Art von Antischurke hört auf, sympathisch zu sein und wird zu jemandem, den die Zuschauer am Ende der Geschichte tot und in der Hölle sehen wollen. Überquert ein Held ihn, wird dieser augenblicklich zum Schurken. Wenn dies passiert, war der Held meist schon eine Weile auf der slippery slope zur Schurkenecke. Beachte, dass der Moralische Ereignishorizont kein Vom Paulus zum Saulus-Moment ist. Der ehemalige Held muss etwas tun, dass nicht nur böse, sondern schlicht unverzeihlich ist.
Ein Charakter kann den Horizont auf vielfältige Weise überqueren. Wo der Horizont genau ist, hängt von der Natur und dem Stil der Geschichte ab und wo sie sich auf dem Grat Von Idealismus bis Zynismus befindet. Vielleicht hat ein Samstagmorgen-Zeichentrickschurke einen Mord begangen. Vielleicht hat der Schurke die Massenvergewaltigung eines zwölfjährigen Mädchens organisiert — for the lulz. Vielleicht tötet er statt den Mann, der seinen Bruder getötet hat, den Bruder des Mörders um diesen leiden zu lassen. Oder er hat einen bewohnten Planeten in die Luft gejagt. So oder so, solch eine Tat signalisiert meist die Verschiebung des Charakters und oft auch des Werks selbst in das Gebiet von Dunkler und erwachsener.
Sobald ein Charakter diesen Punkt überschritten hat, kann er nicht mehr bewundernswert oder sympathisch gemacht werden, ohne, dass sich der komplette Ton der Geschichte ändert. Ist ein Charakter noch irgendwie cool oder kann noch irgendwie gerettet werden, dann hat er den Horizont nicht überquert. Wenn die Erlösung eines Charakters hingegen wie ein Karma Houdini wirkt, dann stehen die Chancen gut, dass er ihn tatsächlich überquert hat (es sei denn, er war am Anfang der Geschichte schon so schlimm.)
Wenn ein Charakter eine Gespaltene Persoenlichkeit hat, ist es durchaus möglich, dass eine Persönlichkeit den Horizont überschreitet, während man für die andere immer noch Sympathie aufbringen kann — wir können den Jekyll immer noch bewundern, egal, was der Hyde getan hat. Ähnlich ist es, wenn ein Charakter Nicht Er Selbst oder unter dem Einfluss von Gedankenkontrolle ist. Den moralischen Ereignishorizont überquert stattdessen, je nach Grad der Kontrolle über das Opfer und Schwere der Tat, der Verantwortliche für die Gedankenkontrolle.
Für manche Schurken ist es völlig unmöglich, den moralischen Ereignishorizont zu überqueren. Diese Charaktere haben einen perversen Charme und egal was sie tun, sie sind schon so weit jenseits des Horizonts, dass nichts sie in den Augen der Zuschauer 'uncool' machen könnte. Verhalten, welches andere Charaktere geradewegs über den Horizont befördern würde, wird von ihnen schlicht erwartet. Der Joker und Hannibal Lecter gehören zu dieser Kategorie — sie gehören hier nicht hin. Gleiches gilt für The Unfettered — er hat alle Beschränkungen, moralisch oder anderweitig, hinter sich gelassen und ist mehr wie eine Naturgewalt als ein menschlicher Charakter.
Wenn dies zu einer Charakterentgleisung führt, dann ist es in der Regel verhasster als alle anderen Formen von Charakterentgleisung. Ein Rettungswurf Des Autors ist darauf beschränkt zu behaupten, dass dieses Ereignis nie geschehen ist oder der Charakter tatsächlich unter dem Einfluss eines anderen stand und stattdessen dieser den moralischen Ereignishorizont überquert hat.
Vergleiche Ereignishorizont Der Verzweiflung, da ein Charakter, der sowohl Start Of Darkness als auch Vom Paulus zum Saulus hinter sich hat, aufgrund von extremer Verzweiflung später den moralischen Ereignishorizont überqueren könnte.
Vergleiche Absolutes Monster, ein Charakter, der speziell darauf getrimmt wurde, früher oder später den Horizont zu überqueren — wenn er das nicht schon bei seinem ersten Auftritt getan hat.
Vergleiche zudem Selbst das Böse kennt Grenzen, wenn selbst die Schurken denken, dass jemand es zu weit getrieben hat.
Gegensätzlich zu Das Soll Nicht Abscheulich Sein?.
Für diese Trope wird es keinen Im Wahren Leben-Abschnitt geben. Während solche Taten sicherlich begangen wurden, würden konkrete Beispiele schlicht zu Flame Wars führen.
Und natürlich lauern von hier an massig Spoiler.
