Manche Dinge, die bisweilen mit Kindern in Verbindung gebracht werden, sind eigentlich nicht gerade kinderfreundlich. Sie sind angsteinflößend, verstörend, gewaltverherrlichend oder sogar unanständig.
Häufig sind sie tatsächlich nicht für Kinder gedacht, das wird aber angenommen, und man fragt sich: Das soll nicht für Kinder sein?
Es gibt aber auch den umgekehrten Fall: solcherlei Dinge, die trotz von vornherein eindeutiger oder erst nachträglich klar werdender Nichteignung für Kinder vom Hersteller ausdrücklich an diese vermarktet werdennote .
Das liegt gern mal daran, daß dieses Mal die, die das Sagen haben, selbst nicht wissen, was sie da gerade vermarkten lassen, und sich von äußeren Eindrücken oder Genreklischees leiten lassen. Im Zeichentrickbereich etwa nehmen sie pauschal an, Zeichentrick ist was für Kinder, und erklären alles an Animationsserien, was nicht von Matt Groening oder Seth Mac Farlane ist (manchmal sogar das, was die beiden gemacht haben), als "für Kinder". Und wenn es um eine extrem werberelevante Zielgruppe geht, fragt man nicht danach, ob die Serie jetzt wirklich für diese Zielgruppe geeignet ist.
Manchmal kommt es gar nicht von ahnungslosen Entscheidern, sondern von einem Anflug von Werte Dissonanznote : Was an dem Ort und/oder zu der Zeit, wo etwas produziert wurde, als kindgerecht galt, muß noch lange nicht auch hier und heute als kindgerecht gelten – nicht selten zu Recht.
Und bevor man sich's versieht, werden Kindern böse Träume oder schmutzige Gedanken beschert von etwas, das eigentlich ausdrücklich für sie zu sein scheint.
Beispiele:
- Die hierzulande von Panini vertriebenen IDW-Comics zu My Little Pony: Freundschaft ist Magie haben im wesentlichen dieselbe Zielgruppe wie die Trickserie. Manchmal allerdings sind die Storys nicht sehr zielgruppengerecht. Ein Beispiel sind die Ausgaben 11 und 12, die einen Zweiteiler namens Zügellos bilden. Der wiederum ist eine einzige riesige Anspielung auf '80er-Jahre-Teenage-Romcoms, insbesondere Teen Lover, und wirft nur so mit noch mehr Anspielungen vor allem auf die '80er um sich. Man könnte jetzt von Eltern Bonus reden, aber daß Eltern die Comics ihrer Töchter selber lesen, ist ziemlich unwahrscheinlich.
- Die Muppet Show ist bekannt für dreierlei: ihre kultigen Charaktere, ihre Stargäste und ihren schrägen, teilweise regelrecht bösen Anarcho-Humor. Für Kinder hat Jim Henson die nun wirklich nicht konzipiert – für die gab's ja von ihm die Sesamstrasse. Das hat das ZDF aber nicht daran gehindert, Die Muppet Show damals im nachmittäglichen Kinderblock zu parken.
- Lego hat sich teilweise in diese Richtung entwickelt. Zugegeben, die sehr detaillierten Häuser- und Fahrzeugmodelle gelten jetzt nicht als für Kinder. Diese sind aber sehr wohl die Zielgruppe für gewisse Lizenzsets, etwa zur Star Wars-Originaltrilogie (wie war noch gleich deren FSK-Einstufung), Piraten Der Karibik, den Simpsons und sogar The Big Bang Theory.
- Barbie wurde lange so betrachtet.
- Harry Potter gilt nun nicht unbedingt als nicht für Kinder geeignet, auch das Merch nicht. Dann aber kam ein vibrierender Zauberbesen in den Handel. Nun ja – mit so einem Ding zwischen den Beinen lassen sich, sagen wir, auch noch andere Sachen anstellen, als Quidditch zu spielen. Weil sich das medienwirksam herumsprach, verschwand der Besen sehr schnell wieder von der Bildfläche.
- Mrs Brisby Und Das Geheimnis Von NIMH war der erste große Film, den Don Bluth ohne Disney machte – und somit ohne die Einschränkungen, die Disney ihm im Sinne der Familienfreundlichkeit auferlegt hatte. Als er endlich Trickfilme so machen konnte, wie er wollte, machte er sie Dunkler und erwachsener, und dies dürfte eindeutig sein düsterster Film sein. Der Streifen wirkt streckenweise sogar auf Erwachsene gruselig. Trotzdem wurde und wird er an Kinder vermarktet.
- Watership Down Unten Am Fluss steht auf beiden Seiten dieser Trope: Weder das Buch noch der Film ist wirklich für Kinder geeignet, weil stellenweise wirklich grausam. Aber einerseits werden ahnungslose Eltern durch die "niedlichen Kaninchen" auf dem Cover immer wieder zum Glauben verleitet, das sei etwas für ihre Kinder im Vorschulalter. Und andererseits waren Buch und Film tatsächlich vorgesehen als ohne Altersbeschränkung.
- Adventure Time wirkt an sich wie für sehr junge Kinder gemacht mit seinem extrem naiven Zeichenstil. Tatsächlich ist das aber ein einziger postapokalyptischer Mindfuck, der so ziemlich alles macht, was eine Kinder-Trickserie nicht machen sollte. Trotzdem wird Adventure Time als Serie für Kinder vermarktet.
- Die Powerpuff Girls waren ursprünglich tatsächlich nicht für Kinder gedacht und sollten sogar Whoopass Girls heißen. Dann sorgte eine Einmischung von oben, wo man glaubte, Zeichentrick ist was für Kinder, dafür, daß die Zielgruppe auf erheblich jünger geändert wurde und damit ach der Titel – das Konzept nicht so sehr.
- Wer kann sich noch an die späten 90er erinnern, als RTL im Kinderblock am Sonntagmorgen Hey Arnold und Rockos Modernes Leben Rücken an Rücken sendete? Ersteres ist streckenweise ziemlich düster, letzteres geradezu verstörend durchgeknallt.
- Zumindest bei South Park hatten sie den Anstand, das immer schön im Nachtprogramm zu senden. Aber South Park eilte ja aufgrund seines immensen Medienhypes schon vor der deutschen TV-Premiere sein Ruf voraus – der sogar noch schlimmer war als die Serie selbst.
- Gargoyles ist für eine Disney-Serie auffallend düster und gewalttätig und bricht mit einigen Prinzipien des Konzerns. Wohl auch deshalb endet die Serie nach nur zwei Staffeln, noch dazu mit einem Cliffhanger. Aber selbst Disney hat Gargoyles als Produktion für Kinder vermarktet, und RTL hat es dann auch brav im morgendlichen Nachfolger des Disney Club drapiert.
- My Little Pony: Freundschaft ist Magie ist trotz allem immer noch eine Trickserie für Kinder, speziell sogar für kleine Mädchen. Spätestens das Finale der vierten Staffel, das mehr wie Dragon Ball Z MIT PONYS wirkt, bekommt man aber seine Zweifel.
- Schoko-Zigaretten. Ernsthaft? Okay, sie stammen aus einer Zeit, als noch fast überall geraucht werden durfte und niemand etwas dagegen sagte. Aber trotzdem.
- Anderswo gibt es auch Zigarren aus Schokolade oder Pfeifen aus Lakritze.
- Robbie Bubble. Das ist alkoholfreier Sekt, der ausdrücklich an Kinder vermarktet wird, besonders in Werbeblöcken im Kinderfernsehen. Tatsächlich – Sekt für Kinder.
